Das Gordon-Growth-Modell, auch bekannt als Dividendendiskontierungsmodell und Dividendenwachstumsmodell, ist eine Methode zur Berechnung des inneren Wertes (Intrinsic Value) einer Aktie, ohne Berücksichtigung der aktuellen Marktbedingungen. Das Modell setzt diesen Wert mit dem Barwert der zukünftigen Dividenden und dem Verkaufspreises der Aktie gleich – den zukünftigen Zahlungsströmen (future Cashflows). Die Unsicherheit über die Entwicklung der Dividendenhöhe, respektive der Dividendenpolitik, stellt ein Schwachpunkt dieses Modells dar.
Das Modell wurde in den 1960er Jahren nach Professor Myron J. Gordon benannt, aber Gordon war nicht der einzige Finanzwissenschaftler, der das Modell populär machte. In den 1930er Jahren trugen Robert F. Weise und John Burr Williams durch bedeutende Arbeiten auf diesem Gebiet ebenfalls zu diesem Modell bei.
Das Dividendendiskontierungsmodell
Wie eingangs erwähnt entspricht, nach dem Gordon-Growth-Modell, der Wert einer Aktie immer dem Barwert (Present Value) der zukünftigen Dividenden. Angenommen, dass die Dividendenhöhe einer Aktie unendlich lange konstant bleibt, sind mit D₀ und r lediglich zwei Inputgrößen notwendig. D₀ stellt die konstante Dividende pro Aktie dar, welche für jede Periode ad infinitum erwartet wird. r stellt die erforderliche Rendite (required rate of return) dar. Diese Werte werden in die folgende Formel eingesetzt, sodass sich der heutige Aktienpreis K₀ ergibt:
Die erforderliche Rendite (r) ist die Rendite, die von den Aktionären verlangt wird, um sie für den Zeitwert des Geldes und das Risiko im Zusammenhang mit den zukünftigen Cashflows der Aktie zu entschädigen. Beträgt die periodenkonstante Dividende 3,00 € und die erforderliche Rendite ist mit 7,5 % determiniert, resultiert der Wert 40,00 € für eine Aktie. Mit dem Kauf der Aktie zu 40,00 € wird eine jährliche Rendite von 10 % des Investments erzielt.
Konstantes Wachstum der Dividendenhöhe
Das von Myron J. Gordon entwickelte Modell berücksichtigt die konstante Wachstumsrate der Dividenden. Wenn die Dividenden konstant steigen, ist der Wert einer Aktie der Barwert (Present Value) eines wachsenden Cashflows. Im Folgenden stellt D₀ die Dividende der aktuellen Periode dar. Wenn die Dividenden konstant wachsen, ist der Wert der Aktie der Barwert aller zukünftigen Dividendenzahlungen. Die konstante Wachstumsrate wird nachfolgenden mit g dargestellt.
Beträgt die Dividendenhöhe aktuell 3,00 € und es wird ein kontinuierliches Wachstum von von 5 % pro Jahr erwartet, sowie die erforderliche Rendite mit 10 % festgelegt, ergibt sich für die Aktie ein Wert von 31,45 €.
Als Beispiele für Aktienwerte mit relativ konstant steigenden Dividendenhöhen können Procter & Gamble, sowie Johnson & Johnson dienen.
Mehrstufiges Wachstum der Dividendenhöhe
Ein weitere Erwartung an die Dividendenentwicklung könnte darin bestehen, dass sich das prozentuale Wachstum der Dividende in den nächsten Jahren verändert. In diesem Fall handelt es sich um das Mehrstufiges Wachstumsmodell (Multistage Growth Model).
Wobei:
Die Perioden 1…n beschreiben die anfänglichen Perioden, in denen ein schwankenden Dividendenwachstum erwartet wird. Mit Periode m startet das konstante Wachstum.
Beispielsweise könnte die erste erwartete Dividendenhöhe 2,00 € betragen, anschließend ein Wachstum von 5 %, nachfolgend von 7 %, dann von 10 % stattfinden und final bei 5 % jährlich liegen. Die erforderliche Rendite beträgt 8 %. Somit setzen sich folgende Inputs zusammen:
D₀ = 2,00 €
r = 0,08
g₁ = 0,05
g₂ = 0,07
g₃ = 0,10
g₄ = 0,08
Mit den Wachstumsraten können anschließend die Dividenden kalkuliert werden:
D₀ = 2,00 €
D₁ = 2,00 € * 1,05 = 2,10 €
D₂ = 2,10 € * 1,07 = 2,25 €
D₃ = 2,25 € * 1,10 = 2,48 €
D₄ = 2,48 € * 1,05 = 2,60 €
Anschließend wird der Barwert jeder Dividende ermittelt, welche während der schwankenden Wachstumsperiode anfällt.
2,00 € / (1,08) = 1,85 €
2,10 € / (1,08)² = 1,80 €
2,25 € / (1,08)³ = 1,79 €
2,48 € / (1,08)⁴ = 1,82 €
Anhand der Formel für stabile Wachstumsraten des Gordon-Growth-Modells, lässt sich die der Aktienwert für das Jahr nach den schwankenden Wachstumsraten determinieren.
2,60 € / (0,08-0,05) = 86,67 €
Der Barwert dieser stabilen Wachstumsperioden kann nun berechnet werden:
86,67 € / (1,08)⁵ = 58,99 €
In einem abschließenden Schritt werden alle vorhandenen Barwerte summiert mit dem Ergebnis des Intrinsischen Wertes der Aktie:
1,85 € + 1,80 € + 1,79 € + 1,82 € + 58,99 € = 66,25 €
Nach dem Gordon-Growth-Modell ist die Aktie mit 66,25 € fair bewertet, liegt der Aktienpreis darunter, ist sie nach Sichtweise dieses Modelles, unterbewertet.
Schlussbetrachtung & Ergänzung
Analysten rechnen häufig ein angenommenes Verkaufspreis- und Verkaufsdatum in diese Berechnungen ein, wenn sie wissen, dass die Aktie nicht unbegrenzt gehalten wird. Außerdem können Couponzahlungen anstelle von Dividenden bei der Analyse von Anleihen verwendet werden.
Das Dividendendiskontierungsmodell / Gordon-Growth-Modell erlaubt Investoren den Aktienwert zu bestimmen. Somit können verschiedene Aktien in Relation zueinander gesetzt werden, was dazu führt, dass das Gordon-Growth-Model eines der am häufigsten verwendeten Analyse- und Bewertungsinstrumente darstellt. In der Grundstruktur berücksichtigt die Formel keine Faktoren, welche sich nicht in der Dividende widerspiegeln. Hierunter fallen beispielsweise wertsteigernde Faktoren wie eine hohe Kundentreue, einzigartige Schutzrechte und Know-How.
Mathematisch müssen zur Anwendung der Formel zwei Bedingungen gegeben sein:
- Erstens muss die Aktiengesellschaft Dividenden ausschütten. Allerdings wenden Analysten das Dividendendiskontierungsmodell häufig auf Aktien an, die keine Dividenden zahlen, indem sie Annahmen darüber treffen, wie hoch die Dividende wäre, wenn das Unternehmen Dividenden zahlen würde.
- Zweitens, darf g nicht kleiner gleich r sein.
Liegt eine Verkaufsabsicht in n-Jahren vor, muss zusätzlich ein erwarteter Verkaufspreis K₁ der Aktie vorliegen. Die Formel hierfür lautet: